Ein- und Mehrwegprodukte: Quo vadis?

Wie sich Umweltschutz und Patientensicherheit vereinbaren lassen

Gastbeitrag Manuela Hoffmann-Lücke, Managing Director HARTMANN Deutschland

Manuela Hoffmann-Lücke
Manuela Hoffmann-Lücke

Die Diskussion um den nachhaltigen Einsatz von Ressourcen ist ein fester Bestandteil der deutschen Krankenhauslandschaft. Es werden heute in Kliniken pro Tag und Patient rund 500 Liter Wasser verbraucht, bis zu acht Kilo Müll erzeugt und die Energie von mindestens zwei Einfamilienhäusern benötigt. Beeindruckende, aber auch gleichzeitig herausfordernde Zahlen. Hinzu kommen neue Anforderungen an die Gesundheitseinrichtungen in Form der Nachhaltigkeitsberichterstattung oder neuer gesetzlicher Vorgaben wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

 

Während die direkten (Scope 1) und indirekten Emissionen durch bezogene Elektrizität, Heizung etc. (Scope 2) zusammen nur knapp ein Drittel des Ausstoßes in Kliniken ausmachen, entfällt der Löwenanteil auf die sogenannten Scope-3-Emissionen [1], zu denen Emissionen im Kontext Güter, Dienstleistungen, Produktion und Transport zählen. Um Einsparpotenziale zu erkennen, hilft es, die größten „Klimasünder“ im Krankenhaus genauer zu betrachten.

Erstmal vor der eigenen Haustüre kehren

Natürlich blicken wir sehr genau in die Kliniklandschaft und haben viel Austausch mit unseren Kunden zu dem Thema. Speziell als Konzern, der viele Einwegprodukte anbietet. Daher leisten auch wir unseren Beitrag, seit jeher. HARTMANN setzte bereits in der Vergangenheit vielfache Umweltinitiativen im Konzern um: seit über 20 Jahren ist man nach ISO 14001, dem Umweltmanagement, zertifiziert und hat auch seit mehr als zwei Jahrzehnten eine Abteilung, die sich um Umweltbelange kümmert. Im gleichen Zeitraum wurde in der Produktion in Herbrechtingen bei Heidenheim eine Recyclinganlage für Inkontinenzprodukte eingerichtet. Hinzu kommen seit fast 15 Jahren auch Ökobilanzen für verschiedene Produktkategorien. Dies sind nur einige Beispiele.

Darüber hinaus werden wir die CO2-Emissionen, die das Unternehmen direkt verantwortet (Scope 1), und indirekte CO2-Emissionen aus eingekaufter Energie (Scope 2) bis 2030 zusammen um mindestens 50 % im Vergleich zum Basisjahr 2021 reduzieren. Bis 2050 wird die vollständige Klimaneutralität für alle CO2-Emissionen angestrebt – inklusive des CO2-Ausstoßes in der Lieferkette (Scope 3).

Nachhaltigkeit muss man ganzheitlich betrachten. Basierend auf der bekannten ESG-Clusterung wurden unsere Nachhaltigkeitsaktivitäten in den drei Säulen Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (nachhaltige Unternehmensführung/Steuerung) strukturiert. In allen Bereichen werden Projekte vorangetrieben, um nicht nur Patienten in ihrer Gesundheit zu unterstützen, sondern gleichzeitig eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zu fördern.

So konnte im Bereich Desinfektion das Gewicht unserer Kunststoffflaschen reduziert werden. Jedes Jahr werden dadurch über 80 Tonnen an Rohstoffen eingespart. Auch bieten wir nun Desinfektionstücher an, die zu 100 % aus biologisch abbaubarem Tuchmaterial bestehen und einen patentierten Wirkstoffkomplex auf Basis organischer Fruchtsäuren enthalten. Durch die Optimierung von Verpackungen bei saugenden Inkontinenzprodukten werden darüber hinaus viele hundert LKW-Transporte pro Jahr und 2.000 Tonnen an Plastik jährlich eingespart oder es werden Ressourcen wiederverwendet. In toto sind dies 170 Tonnen an Silikonpapier. Die Liste lässt sich entsprechend fortsetzen.

Einweg vs. Mehrweg – eine intensive Diskussion

Eine andauernde Diskussion im Gesundheitssektor ist der Einsatz von Einwegprodukten wie u. a. medizinischen Handschuhen oder OP-Mänteln. Oft wurde die Forderung gestellt, auf deren Nutzung zu verzichten, um schnell Vorteile in der Nachhaltigkeitsbilanz zu erzielen. Die Diskussion grenzt an eine Art „Glaubensbekenntnis“ – entweder, oder. Doch so einfach ist das Thema nicht. Für uns haben sowohl Einweg- als auch Mehrwegprodukte spezifische Vor- und Nachteile, sie müssen regulatorische Vorgaben erfüllen und auch Anforderungen der Patienten- und Anwendersicherheit. Daher müssen Krankenhäuser sorgfältig abwägen, um fundierte Entscheidungen für ihre Ökobilanz zu treffen.

Den Lebenszyklus von Produkten im Blick

Einwegprodukte erscheinen auf den ersten Blick umweltschädlich, da sie nach Gebrauch sofort entsorgt werden und somit Abfall erzeugen. Um jedoch die tatsächlichen Umweltauswirkungen zu verstehen, ist immer eine umfassende Lebenszyklusanalyse erforderlich. Dabei müssen aus unserer Sicht Aspekte wie Produktion, Transport, verwendete Materialien und Aufbereitungsmethoden einbezogen werden. Wiederverwendbare Produkte könnten langfristig weniger Abfall erzeugen, doch ihre Herstellung und Reinigung sind oft energie- und ressourcenintensiv, was die potenziellen Umweltvorteile relativieren kann. Insbesondere der hohe Wasserverbrauch bei der Wiederaufbereitung sollte in die Bewertung der ökologischen Auswirkungen einfließen. Je nach Land und Krankenhausgröße machen Einwegprodukte etwa 20 % des Abfallaufkommens aus, tragen aber nur zu etwa 3 % der gesamten Kohlenstoffemissionen eines Krankenhauses bei. Andere Abfallquellen, wie Verpackungsmaterialien und nicht gesundheitsbezogene Abfälle, haben oft einen größeren Einfluss auf die Abfallwirtschaft. Daher ist für uns klar, dass der Umgang mit Einwegprodukten Teil einer umfassenden Abfallstrategie sein sollte, die alle Bereiche der Abfallerzeugung einbezieht.

Nachhaltige Alternativen und Abfallmanagement

Anstelle einer kompletten Umstellung auf wiederverwendbare Produkte könnten Einwegartikel umweltfreundlicher gestaltet werden, beispielsweise durch den Einsatz recycelter, biobasierter oder biologisch abbaubarer Materialien. Unabhängig davon, ob Abfälle aus Einweg- oder Mehrwegprodukten stammen, müssen kontaminierte Abfälle durch spezielle Verfahren wie Verbrennung entsorgt werden. Dabei können Metalle zurückgewonnen und in die Kreislaufwirtschaft integriert werden.

Im Gegensatz zu Metallen können Kunststoffe nicht für das Recycling zurückgewonnen werden. Die Verwendung biologisch abbaubarer Materialien wird oft gefördert, jedoch kann deren Kohlenstoff-Fußabdruck aufgrund geringerer Energiefreisetzung bei der Verbrennung im Vergleich zu herkömmlichen Materialien höher sein. Daher ist eine sorgfältige Lebenszyklusanalyse unerlässlich, bevor man die Überlegenheit solcher Materialien voraussetzt. Zusätzlich erschweren geltende Vorschriften und Richtlinien im Gesundheitswesen oft die Einführung nachhaltigerer Materialien für Einwegprodukte.

Technologische Fortschritte und Anpassungen im rechtlichen Rahmen könnten die Entwicklung nachhaltiger Einwegprodukte fördern, die sowohl Sicherheits- als auch Umweltanforderungen gerecht werden. Dies würde es Krankenhäusern ermöglichen, die Vorteile von Einwegprodukten zu nutzen und gleichzeitig ihren ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Zukünftige Entwicklungen sollten darauf abzielen, Rohstoffe aus verwendeten Materialien zurückzugewinnen und in einer Kreislaufwirtschaft zu verwerten.

Einwegprodukte in spezifischen Bereichen des Gesundheitswesens

In Bereichen wie der Operationssaalbekleidung dominieren Einwegprodukte. Etwa 80 % der hier derzeit verwendeten Kleidung sind Einwegartikel, da Sterilität und Sauberkeit bei Operationen entscheidend sind. Durch die Entwicklung von Produkten, die die gleiche Leistung und Sicherheit wie bestehende Artikel bieten, aber einen geringeren CO2-Fußabdruck haben, wird das Thema Nachhaltigkeit dennoch vorangetrieben, ohne die Patientensicherheit zu vernachlässigen.

Und hier kommen wir zu dem entscheidenden Punkt. In unserer täglichen Arbeit für medizinisches Fachpersonal und Patienten bleibt für uns ein unverrückbarer Wert immer stehen: die Sicherheit aller zu gewährleisten, die unsere Produkte und Lösungen letztlich verwenden. Sicherheit ist das höchste Gut. Daran orientieren sich auch Kliniken in ihrer Abwägung, ob sie Einweg- oder Mehrwegprodukte verwenden. Einwegprodukte bieten aufgrund ihres einmaligen Gebrauchs einen großen Vorteil: Sie minimieren das Risiko der Kreuzkontamination und die Gefahr von Infektionsübertragungen, da sie nach jedem Gebrauch entsorgt und anschließend Teile davon recycelt werden. Dies gewährleistet eine hohe Sicherheit für Patienten und medizinisches Personal. Wiederverwendbare Produkte erfordern eine sorgfältige, fehlerfreie und somit oft energieintensive Aufbereitung. Werden auch hier alle Hygieneprotokolle eingehalten, kann der Mehrwegartikel aber genauso sicher sein.

Praxisbeispiel Komplettsets

Wie kann man aber ein Einwegprodukt tatsächlich so anpassen, dass sich dessen Ökobilanz verbessert? In einem Projekt haben wir unsere sterilen, vorverpackten Komplettsets – die u. a. in der Wundversorgung genutzt werden – weiterentwickelt. Allein durch die Optimierung der Verpackungen werden im Jahr 8.000 Paletten eingespart. Das reduziert ein Viertel des Lagerraums, aber auch ein Viertel der Lieferhäufigkeit. Darüber hinaus werden über 13 Tonnen Stretchfolie eingespart. Im gesamten Projekt können nun jährlich 144 Tonnen an CO2 Emissionen und über 200.000 Kilowattstunden an Energie eingespart werden. Das liegt auch daran, dass in Europa produziert wird und fast 100 % der Bestandteile der Sets aus Europa bezogen werden.

Fazit: Nachhaltigkeit und Sicherheit im Einklang

Ob nun Mehrweg- oder Einwegprodukte in einer Klinik angeboten werden, bedarf einer genauen Berechnung und Abwägung des jeweiligen Betreibers. Nachhaltigkeit ist von größter Bedeutung, doch die Sicherheit von Patienten und Anwendern muss im Gesundheitswesen stets Priorität haben. Nachhaltigere Einwegprodukte können eine Brücke zwischen Sicherheit und Umweltschutz bauen. Am Ende geht es sowohl für die Gesundheitseinrichtungen als auch die Hersteller darum, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, um unsere Umwelt zu schützen.

Transparenzhinweis: Dieser Beitrag stammt von unserem ZUKE Green-Nachhaltigkeitspartner HARTMANN Deutschland. Er gibt die Sichtweise des Autors wieder und soll die Diskussion über nachhaltige Lösungen im Gesundheitswesen bereichern. Die ZUKE Green Community spricht keine konkreten Produktempfehlungen aus.

[1] Literatur beim Verfasser